Ganz Ohr: Das Wunder des Hörens entdecken
Zwölf Jahre lang habe ich von meinen Ohren gelebt: als DJ und Musikproduzent waren sie mein wichtigstes Sinnesorgan. Ich wusste alles darüber, wie man den Klang von Musik technisch optimiert. Doch was wusste ich eigentlich über meine Ohren und darüber, was sie Tag für Tag, Nacht für Nacht leisteten? So gut wie nichts!
Erst als ein Hörsturz meinem linken Ohr 70 Prozent seiner Hörfähigkeit raubte, begann ich mir Gedanken darüber zu machen. Plötzlich war ich einer der 466 Millionen Menschen weltweit, die schwerhörig sind. Zwar konnte mein gesundes Ohr sehr viel ausgleichen, doch es war das Ende meiner Tätigkeit als Musiker und Produzent. Im Alltag fühlte ich mich chronisch erschöpft. Erst später lernte ich, dass die Müdigkeit mein Begleiter war, weil das Gehirn den ungleichen Höreindruck verarbeiten musste. Es war mir neu, dass wir mit dem Gehirn hören, nicht mit den Ohren.
Ein Hörgerät half mir und als DJ machte ich weiter. Dank der Veröffentlichung meines ersten Buchs, einem Hochzeitsratgeber mit dem Titel Wer Ja sagt, darf auch Tante Inge ausladen, war ich auf der Höhe des Erfolgs und über anderthalb Jahre im Voraus ausgebucht. Aufhören? Undenkbar. Auch mein Tinnitus hielt mich nicht davon ab. Die Ohrgeräusche in Form hohen Pfeifens begleiten mich schon seit den lauten Techno-Partys in meiner Jugend. Ich war daran gewöhnt: Stille bedeutet für mich Pfeifen.
Ich hatte beim Auflegen schon immer professionellen Gehörschutz getragen und hielt meine Ohren für ausreichend abgeschirmt. Heute weiß ich: Bässe wirken trotzdem über die Schädelknochen auf das Innenohr, und nachts sind die dortigen Nervenzellen aufgrund biologischer Prozesse anfälliger als tagsüber. Letztlich war es allerdings nicht mein Gehör, das mich im wahrsten Sinne des Wortes zusammenbrechen ließ, sondern mein Gleichgewichtsorgan. Es ist direkt mit dem Hörorgan verbunden.
Der letzte Auftritt meines Lebens brachte mich mit einer schweren Schwindelattacke direkt vom DJ-Pult ins Krankenhaus. Morbus Menière lautete die Diagnose: eine angeblich unheilbare Erkrankung. Das war es also, dachte ich. Endgültig Schluss mit der Musik. Der Lebenstraum dahin. Und was jetzt?
Ich befasste mich intensiv mit Forschung rund ums Gehör, um besser zu verstehen, was mit mir passierte. Ich wollte wissen, wie das Hören entstanden ist und wie es funktioniert, wie wir Sprache verstehen, wie Musik in uns wirkt – einfach alles. Ich las jedes Buch und jede wissenschaftliche Arbeit, die ich in die Finger bekam. Mein Freund und wissenschaftlicher Weggefährte, Dr. Andreas Borta, half mir dabei und nahm mich mit zu Fachkongressen. Ich erkannte, dass Hören ein Wunder ist und je mehr ich darüber erfuhr, desto mehr staunte ich. In mir wuchs der Wunsch, dieses Wunder auf allgemeinverständliche Weise mit möglichst vielen Menschen zu teilen. Ich bin fest überzeugt, dass Sie, liebe Leser, die Welt mit anderen Ohren hören werden, wenn Sie das Hören selbst wirklich verstehen. Und dass auch Sie erkennen werden, wie einmalig und wertvoll das Geschenk des Hörens ist. So wertvoll, dass wir alles tun sollten, um es zu bewahren. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viele Momente des Staunens und wertvolle Tipps mit diesem Blog und meinem YouTube-Kanal. Aktuelle Beiträge rund ums Hören finden Sie auch auf meinem Twitter-Kanal.